MoveDove
AMC 403-2 Refugium

Release am 24. April 2020
auf Acoustic Motion Concepts
www.amc-records.com

Es ist Nacht im Leipziger Bahnhof, beim Katholikentag 2016. Auf Einladung der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk singen, lauschen und beten mehr als sechshundert Menschen in der Osthalle des Hauptbahnhofes. Eine Bloggerin schreibt zu ihrem Erlebnis des Gottesdienstes: „Es ist, als hätte jemand im Bahnhof die Zeit angehalten. So oft bin ich in Bahnhöfen. Noch nie habe ich gemerkt, dass ich hier zur Ruhe kommen und vielleicht sogar Gott begegnen kann.“

Die Zeit anhalten möchte diese Liturgie, und die eine gute Dreiviertelstunde dauernde Aufnahme lädt zum Versinken ein. Reduziert auf die transportierbaren Elemente der Messe trägt Refugium die Hörenden durch Text, Gebet und Musik – immer zusammenhängend, immer der inneren Dramaturgie der Messfeier folgend. Wie der ursprüngliche Gottesdienst strukturiert sich auch das Album in zwei Teile – der erste Teil basierend auf dem Wortgottesdienst, der zweite auf der Eucharistiefeier der katholischen Messe. Natürlich kann die Atmosphäre der eindrücklichen Feier des Gottesdienstes im Bahnhof nicht reproduziert werden. Für die beiden Initiatoren Pfr. Siegfried Kleymann (Texte) und Luis Reichard (Musik) ist die Erinnerung eher innerer Antrieb gewesen, das Projekt nun sorgfältig zu dokumentieren – für alle, die sich gern erinnern und diejenigen, die nicht dabei waren. Veröffentlicht wird die Studio Aufnahme nun anlässlich der Verabschiedung Kleymanns aus dem geistlichen Rektorat des Cusanuswerks.

Es beginnt mit einem Ton. Dieser einzelne, leise Ton hat die Kraft, die Aufmerksamkeit des Hörenden zu bündeln, die einzelnen Teile der Messe zu verbinden – und letztendlich die Zeit anzuhalten. Er bereitet die Bühne für die Psalmübertragung von Hub Oosterhuis (gelesen von Tim Esselmann) und wird abgelöst von den ersten Klängen des Kyrie. Einfache, klare Akkorde und eine getragene Melodie sammeln die Gemeinde, das langsame Metrum eines Prozessionsgesangs hilft den Klängen den großen Raum zu füllen, ohne sich zu überlagern. „Schon nach den ersten gesungenen Wörtern mischten sich die Stimmen der Gemeinde hinzu. Die Menschen fühlten sich ermutigt, einfach mitzusingen,“ erinnert sich Reichard.

Das Titelstück „Domine Refugium“, das sich nahtlos ans Kyrie anschließt, trägt weiter dem Konzept der Einfachheit und Klarheit Rechnung. Der lateinische Text und die musikalische Form erinnern an einen Liedruf aus Taizé und bilden den Auftakt zum Tagesgebet von Siegfried Kleymann. Die Lesung (Anna Goeke) erzählt von Elija, dem Reisenden und Suchenden in der Wüste. Repetitive Tonfolgen der Bassgitarre (Lorenz Rosenthal) und weiche Schlagzeugklänge (Antoine Duijkers) bilden die Grundlage der zwischengeschalteten Interludes, die Reichard solistisch mit dem Flügelhorn füllt.

Der Zwischengesang „Hilf Herr meines Lebens“ zeigt eine deutliche dynamische Steigerung, in sechs Strophen entfaltet sich zum ersten Mal der kräftige Sound des groovenden Trios und des Chorensembles Multiple Voice. Das darauffolgende „Weltenchaos I“ markiert den lauten Höhepunkt des ersten Teils, eine tiefe Basslinie wird angetrieben von Duijkers wirbelnden Trommeln, schneller werdend und plötzlich abreißend. Der Lärm der Welt verklingt und macht Platz für den leisen Höhepunkt, das Evangelium. Es erzählt von Jesus, der im Sturm schläft – ein gesummtes „Domine Refugium“ bildet den Übergang zum zweiten Teil.

Die Preisung (Kleymann) markiert wesentliche Elemente der Präfation und des Hochgebets, subtil eingebettet in Musik, und mündet in das Sanctus, das ein einfaches vierstimmiges Ostinato mit einem Choral aus dem 18. Jahrhundert verknüpft. Wieder schraubt sich die Band zum „Weltenchaos II“ in groovende Ekstase, diesmal noch intensiver. Auf den Abriss folgt dann, gleich einer Heimkehr, die Reprise des Titelliedrufs „Domine Refugium“.

Die Gebete „Gedächtnis – Darbringung – Bitte“ wenden sich der Erinnerung an das Heilsgeschehen zu, Elemente der Fürbitten werden aufgegriffen. Das gesungene „Durch Ihn I“ bildet in seiner Fragilität und Offenheit den Abschluss des priesterlichen Gebetsteils und gleichzeitig den Auftakt zum gemeinsamen „Vater Unser“. Respektvoll harmonisiert mäandrieren Stimme, Flügelhorn und die nur noch entfernt wahrnehmbare Hallfahne des Vokalensembles der bekannten liturgischen Melodie entlang.

Der Text „Herbergssuche“ von Andreas Knapp bringt das Erinnerungsgeschehen wieder in die Gegenwart zurück. Die verdichtete Sprache Knapps schlägt die Brücke zwischen der Flüchtlingskrise und dem Weihnachtsgeschehen – und erinnert uns daran, dass wir alle Vertriebene sind. Die folgende Instrumentalmusik war im Leipziger Gottesdienst die Begleitung zur Kommunion. Zunächst geprägt von Rosenthals Solo auf der bundlosen Bassgitarre folgt ein Klaviersolo, welches die gesammelte Energie bündelt und in einem Schlusspunkt die Reprise des „Durch Ihn“ einleitet, diesmal kräftiger gesungen und sich zum „Amen“ hin steigernd. Die Band macht die Klangschleusen noch einmal weit auf, die Vielstimmigkeit und Intensität der Feier im Hauptbahnhof kommt den Hörenden noch einmal zum Greifen nah.

Den Abschluss bildet das Abendlied „Bleib bei uns, Herr“, im Original aus dem 19. Jahrhundert. Bergend umschließen die Klänge die getragene Melodie, segnend summen die Stimmen zum Ausklang in den großen Hallraum. Der Gottesdienst endet in völliger Ruhe, und wie im Leipziger Hauptbahnhof bleiben die Umgebungsgeräusche zunächst noch fern, bevor sie wieder weiterläuft, die Zeit.

Credits:

Siegfried Kleymann – Texte, Liturgie
Luis Reichard – Komposition, Arrangement

MoveDove
Luis Reichard – Gesang, Piano, Flügelhorn, Synthesizer
Lorenz Rosenthal – Bassgitarre
Antoine Duijkers – Schlagzeug, Perkussion

Anna Goeke – Sprecherin
Tim Esselmann – Sprecher

Ensemble aus Multiple Voice (Chor der KHG Köln)
Marius Jürgens, Annika Ziemer, Justina Delling, Kristine Chau, Katharina Berlin
Elisabeth Stollenwerk – Leitung

Aufgenommen im Dezember 2019 von Patrick Leuchter im Hidden Track Studio Köln. Assistenz: Philipp Scholz. Gemischt und gemastert im Februar 2020 von Patrick Leuchter im Hidden Track Studio Köln. Produziert von Luis Reichard.

Janina Kürschner – Layout und Titelfotos
Paul Diestel – Titelbild
Bild Hbf Leipzig mit freundlicher Genehmigung der Katholischen Nachrichten Agentur (KNA).
Studiofotos von Leonie Braun

Im Auftrag der Bischöflichen Studienförderung Cusanuswerk

Tracklisting:

1Gott, unsere Zuflucht und Kraft. Introitus00:01:16
2Kyrie00:03:11
3Domine Refugium00:02:54
4Wir Reisende. Gebet00:00:48
5Zuflucht in der Wüste. Lesung00:03:24
6Hilf, Herr, meines Lebens00:03:50
7Weltenchaos I00:01:20
8Ruhe im Sturm. Evangelium00:01:23
9Domine Refugium. Reprise I00:01:52
10Preisung00:03:12
11Herr, Gott der Mächte00:01:37
12Weltenchaos II00:01:15
13Domine Refugium. Reprise II00:02:51
14Gedächtnis – Darbringung – Bitte00:04:06
15Durch Ihn I00:01:28
16Vater Unser00:01:17
17Herbergssuche00:00:53
18Gastmahl00:04:39
19Amen. Durch Ihn II00:03:07
20Bleib bei uns, Herr. Abendlied00:04:17
00:48:49

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